Lebenszeichen 3

Santiago de Chile – heading south // 26.01. – 07.01.2017

Es regnet, aber wir haben noch eine Flasche Wein – die perfekten Vorraussetzungen um zu schreiben…

Unsere Wohnung – auf 4 Rädern. So, Schluss mit Urlaub und rein ins Zelt. Am 26.01. ging es von Montevideo (Uruguay) mit dem Flieger über die Anden nach Santiago (Chile). Dort verbrachten wir erst mal zwei Nächte in einem Apartment, bevor wir in unsere geräumige „Maisonnettewohnung“ umzogen, die wir insgesamt 62 Tage bewohnen werden. Die Wohnung hat 4 Räder, Allradantrieb und ein ausklappbares Zelt auf dem Dach. Damit geht es nun in den Süden bis nach Ushuaia. Noch weiter südlich würde nur noch die Antarktis kommen. Der Vorteil einer Allradwohnung ist, dass man fast überall hinkommt um dort in Ruhe sein Nachtlager aufzuschlagen. Durchfahrt durch einen kleinen Fluss, einen steilen Hang hinunter und wieder rauf, die unzähligen alten unbefestigten „Straßen“ ohne Achsbruch überstehen – alles kein Problem. Sensationell ist auch der „Kleiderschrank“. Dieser besteht aus unseren zwei großen Reiserucksäcken, die offen auf der Rückbank liegen. Das „in den Schrank einräumen“ funktioniert recht einfach: Tür auf, Shirt reinwerfen, Tür zu. Wer es zusätzlich noch schafft, die „Schranktür“ zu öffnen, ohne das etwas herausfällt, der hat gewonnen. Gekocht wird auf zwei Gaskochern und das Schlafzimmer in der ersten Etage ist sehr schnell installiert und nicht weniger schnell wieder deinstalliert. In Chile ist es erlaubt wild zu campen – ein absoluter Traum. Wir vermissen nichts…fast nichts…ok, so eine warme Dusche zwischendurch ist nicht zu verachten, hatten wir aber schon ein paar Tage nicht mehr. Als Alternative müssen gerade Seen und Flüsse herhalten, ist auch ok. Ist das wilde Campen mal nicht möglich, dann darf es auch ein konventioneller Campingplatz sein, der in der Chile-Ferienzeit auch mal gut gefüllt sein kann. In diesem Zusammenhang hätte ich da mal eine Frage und hoffe damit keinem Hardcore-Camper zu nahe zu treten. Ist es normal einen Fernseher mitzunehmen und da die ganze Zeit vor zu hocken anstatt irgendein Campingzeug zu machen? Hier scheint es jedenfalls Standard zu sein. Aber find ich gut, so kommen die Kinder mal raus aus den vier Wänden und können woanders TV glotzen. Wie dem auch sei, immerhin fallen wir hier weiterhin auf. Nicht durch mangelnde Körperpflege, sondern mit unserer Wohnung. So ein Jeep mit Ausklappzelt auf dem Dach schein etwas ganz besonderes zu sein, weshalb wir ein beliebtes Fotomotiv sind. Darüber hinaus findet es unsere Campervermietung witzig, Sprüche auf die Vermietfahrzeuge zu kritzeln. Das hat zur Folge, dass Menschen unvermittelt neben uns stehen bleiben, auf die Tür starren und versuchen das Geschriebene mit geringen Englischkenntnisse in eine für sie verständliche Sprache zu übersetzen. Ein sagenhaftes Bild. Aber wir wollen uns nicht beklagen. Wir haben ein holländisches Pärchen getroffen, die einen kleinen Van von derselben Campervermietung haben. Deren Spruch (auf Spanisch geschrieben) lautet übersetzt: Hupe, wenn du doggy style magst. Kleine Info am Rande: Niederländische Forschungen haben ergeben, dass es eine Vielzahl der chilenischen Bevölkerung gerne von hinten mag…

Staub und Straßen – eine untrennbare Kombination in Chile. Wie gesagt, mit unserer Allradwohnung sind wir sehr flexibel und deshalb fahren wir teils recht lange Strecken über die alten chilenischen Schotter-durchschüttel-bergstraßen. Ein echtes Erlebnis inkl. Schlaglöchern, in denen man einen Smart verstecken könnte und die einen Bandscheibengeschädigten dazu bringen würden, spontan von seinem Ableben Gebrauch zu machen. Ich werde mich sicher nie wieder über die winzigen Schlaglöcher auf deutschen Straßen aufregen. Was diese Art in Südamerika zu reisen zwangsläufig noch mit sich bringt ist Staub. Staub auf und im kompletten Auto, Staub auf dem Brot, in den Augen, im Kaffeebecher und sogar an Stellen des Körpers die in meiner Vorstellung überhaupt erst dann Staub ansetzen, wenn das Thema der Reproduktion bzw. Genweitergabe abgehakt ist und man gleichzeitig jegliche Freude am eigentlichen Reproduktionsakt verloren hat. Staub einfach überall. Immerhin bekommen wir dadurch eine gewisse einheimische Hautfarbe, die Menschen doch tatsächlich dazu animiert, uns nach dem Weg zu fragen…UNS…haha. Selbstverständlich wussten wir den Weg nicht…sorry und lo siento. Als guter autoliebender Deutscher habe ich zusätzlich dauerhaft das Bedürfnis, das Auto zu waschen. Das wäre hier jedoch völlig sinnbefreit und wird deshalb natürlich unterlassen. Wenn man sich erst mal an das Gefühl dauerhaft schmutzig zu sein gewöhnt hat, dann ist eh alles egal. Und übrigens, T-Shirts, Hosen etc. die zu hause schon längst in die Waschmaschine gewandert wären, werden hier noch für absolut brauchbar befunden. Alles eine Frage der Gewöhnung…und des Deos. Woran ich mich jedoch sicher nie gewöhnen werde, ist die chilenische Schilderpolitik. Die Straßenverkehrsbehörde ist teilweise recht sparsam und stellt Wegweiser nur in einer Richtung auf. Kommt man also aus der „falschen“ Richtung, sieht man das Schild nicht und verpasst es abzubiegen. Großes Lob dafür! Das es entlang der chilenischen Straßen jedoch generell zu wenig Schilder gäbe, kann man nur wirklich nicht behaupten. Das liegt jedoch daran, dass jedes noch so kleine Honig-Käse-Wasser-Kiosk am Straßenrand auf sich aufmerksam machen möchte. Völlig legitim. Nun kann es hier jedoch vorkommen, dass gleich 15 Honig-Käse-Wasser-Kleinunternehmer ihre Geschäfte nebeneinander an einer Straße platziert haben. Und wie fällt man in so einem homogenen Unternehmensumfeld am besten auf? Man stellt natürlich noch ein zweites, drittes…oder gar achtes (kein Scherz) Schild auf, um seine Waren anzupreisen. Bringt das nicht die gewünschte Wirkung, hält man es wie in der Sparkassenwerbung – „Wir machen das mit den Fähnchen“. Resultat: bunte Fähnchen im Überfluss. Würde man die Wörter zusammenzählen, die ich hier schon am Straßenrand gelesen habe, dann käme ein ganzes Buch dabei raus. Aber der findige chilenische Kleinunternehmer hat ja noch ein As im Ärmel. Wenn jegliche Information und Sichtbarkeit im Schilderwald wirkungslos verpufft, dann gibt es nur eine Lösung. Man stellt einen echten Menschen an den Straßenrand…und was macht er innovatives? Richtig, er hält ein Schild hoch. Hut ab, ich geb’s auf. Unangefochten auf Platz 1 der häufigsten Schilderwörter ist übrigens „Cabañas“. Wer ist dieser „Cabañas“ und warum hat der so viele Geschäfte?

Waldbrände – gibts natürlich auch wieder auf unserer Reise. Als wir in Australien und Tasmanien waren hatten wir dort Jahrhundertwäldbrände, Sturm und Überschwemmung. Hier in Chile bringen wir es immerhin schon mal auf die Jahrhundertwaldbrände. Wenn es nach uns geht, reicht das auch völlig. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn die Sicht max. einen Kilometer beträgt, man von dichtem Rauch umgeben ist, nicht 100%ig weiß wo die Brandherde sind bzw. sich hinbewegen und man dann auf einen Berg in den Wald zum Übernachten fährt. Von den Einheimischen haben wir uns jedoch immer die neusten Feuer-Updates geholt, und sind kein Risiko eingegangen. Das hatte zur Folge, dass wir ein paar kleinere Weinregionen nicht ansteuern konnten, da es dort jetzt wohl nur noch Glühwein gibt. Mittlerweile haben wir die Waldbrandregion jedoch verlassen, können weiter als 1km sehen und sind begeistert von der Landschaft. Was neben der Landschaft zusätzlich noch beeindruckend ist, ist die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Chilenen. Freiwillige Helfer überall und unzählige LKWs mit Hilfslieferungen für die betroffenen Gebiete. Riesige Flächen sind bereits verbrannt und weitere unzählige Quadratkilometer brennen noch. Viele Menschen haben alles verloren oder haben alles was sie gerade noch auf die Ladefläche von ihrem Jeep werfen konnten gerettet, bevor sie die Flucht antraten. Da kann es schon mal vorkommen, dass plötzlich eine Couch auf der Autobahn steht, nachdem diese die Jeep-Ladefläche eigenmächtig und ohne Erlaubnis verlassen hat. Aber hey, auf der Flucht denke ich zu Recht wohl eher weniger an vorbildliche Ladungssicherung. Es sieht teilweise so aus, als würde halb Chile umziehen. Wir drücken die Daumen, dass sich die Lage so schnell wie möglich wieder entspannt!!!

Zucker  wird hier gaaanz groß geschrieben. Wenn man einen Kaffee bestellt und man möchte keinen Zucker dazu, dann wird man nicht nur komisch angeschaut, sondern es wird noch zwei mal nachgefragt ob man den wirklichwirklichganzechtohnewitz keinen Zucker möchte. Wir haben es mittlerweile z.B. aufgegeben, irgendeine Art von Saft zu kaufen. In der Regel ist das nämlich Zucker aufgelöst in Wasser mit einem Spritzer Fruchtaroma…bäh. Das Zeug ist selbst fürs Klo zu ekelhaft. Oder Joghurt…guter alter griechischer Joghurt…süß wie 10 Hundewelpen. Gerne wird auch die Zuckeralternative Stevia verwendet, was dem Geschmack aber nun wirklich nicht auf die Sprünge hilft. Auf der anderen Seite scheint eine gesunde Lebensweise hier durchaus auch ein Thema zu sein. In den meisten Supermärkten findet man einen Ecke mit speziell glutenfreien Produkten. Für mich als ärztlich falsch diagnostizierter Glutenintoleranter interessant zu sehen. Aber auch salzfrei, vegetarisch, vegan…alles möglich hier in Chile. Mein absoluter Favorit im Zusammenhang mit individueller Ernährung ist jedoch die Frage eines potenziellen Haschbrownie-Käufers auf der Straße von Santiago an die freundliche Haschbrownievertrieblerin, ob die Dinger denn auch vegan seien. Ich würde mir bei Hasch-Brownies von der Straße echt viele Fragen stellen, aber nicht ob die vegan sind. Aber als Ich-ess-nix-vom-Tier-Mensch hat man auch ein Recht auf veganen Drogenkonsum. Also berechtigte Frage. Die Antwort war übrigens „ja“ – na dann guten Flug…
Fakten:

  • aktueller Standort: Lago Llanquihue am Fuße des Vulcán Asorno
  • zwei feuchte Babytücher sind auch ne Dusche
  • überdurchschnittlich häufige Verwendung des Satzes „diese Klamotten hatte ich gestern schon an“
  • mein zweiter Vorname ist mittlerweile „Schatz-wo-ist“
  • bisher niedrigste Temperatur in der Nacht: 5 Grad Celsius
  • Kuchen heißt hier Kuchen
  • hatte Bienenstich, jedoch nicht als Kuchen (habe überlebt)