Lebenszeichen 4

Chile und Argentinien

Heading south (aktuell: Tolhuin, Feuerland) // 08.02. – 22.02.2017

In den letzten Wochen ging es u.a. über Bariloche, El Bolson, Futaleufú, Coyhaique, El Chaltén und El Calafate zwischen Chile und Argentinien hin und her bis zu unserem aktuellen Standort kurz vor dem Etappenziel Ushuaia…

Bordercrossing

– kann so unterschiedlich sein. Auf unserem Weg von Santiago nach Ushuaia springen wir zwischen Chile und Argentinien hin und her. Innerhalb von Europa sind wir ja verwöhnt und mittlerweile gewohnt, dass eine Ländergrenze nicht mehr ist als ein Hinweis in Schilderform am Straßenrand. Hier ist das jedoch noch ganz anders und je nach Ort des Grenzübertritts so unterschiedlich wie Nutella und Dulce de Leche. Unsere erste „Grenzerfahrung“ war der Übergang von Chile nach Argentinien am Paso Cardenal Samoré (zwischen Osorno und Bariloche). Ein „großer“ Grenzübergang, den auch Reisebusse und LKWs benutzen. Wer in einer Warteschlange stehen zu seinen Leidenschaften zählt, der kommt hier voll auf seine Kosten. Eine Stunde für die Ausreise aus Chile und eine Stunde für die Einreise nach Argentinien. Alle Schilder auf Spanisch, nur eine grobe Ahnung was wir wo vorzeigen und tun müssen, einfach mal hinten an die längste Warteschlange anstellen, beobachten was alle anderen tun und dann einfach nachmachen. Es wirkt teilweise so, also wüssten selbst die Einheimischen nicht so recht, was sie tun müssen…und hey, die sprechen in der Regel die Sprache die auf den Schildern steht. Es herrscht irgendwie ein geordnetes Chaos und am Ende haben wir zwei Stempel mehr im Pass von der Grenzpolizei, zwei Stempel von der Zollbehörde in unseren speziellen Chilenischerleihwagenwillnachargentinieneinreisen-Fahrzeugpapieren und wir sind von Chile nach Argentinien gereist. Es scheint als haben wir uns jeweils an der richtigen Warteschlange angestellt. Was zusätzlich etwas verwirrend ist, es gibt häufig zwei unabhängige Grenzstationen. Eine für die Ausreise aus dem jeweiligen Land und eine für die Einreise ins andere Land. Dazwischen liegen jedoch mehrere Kilometer Fahrstrecke, also quasi Niemandsland, denn man ist zwar schon ausgereist, aber noch nicht eingereist?! Verrückte Welt. Zur Abwechslung kann man sich aber auch eine Grenzstation gönnen, bei der der zuständige Grenzpolizist mit seiner Familie in einem kleinen Häuschen neben dem Schlagbaum wohnt, weil es in jede Richtung ca. 2 Auto-Schotterpisten-Stunden lang nur ein großes Nichts gibt. Der tägliche Arbeitsweg wär dann wohl verständlicher Weise etwas zu aufwändig, weshalb er dann einfach im Nichts wohnt. Nervende Nachbarn hat er jedenfalls keine. Aber nervende Touristen wie uns, die an seine Haustür klopfen und sein Mittagessen mit der Familie unterbrechen um über die Grenze zu kommen. Den ganzen Tag kommt hier kein Auto vorbei und ausgerechnet dann, wenn er gerade Mittag macht kommen wir…sorry. Er schien deswegen aber nicht verstimmt zu sein, vielleicht hats ihm ja eh nicht geschmeckt. Übrigens dürfen kaum Lebensmittel mit über die Grenze genommen werden, was bei uns regelmäßig zu vorgrenzlichem Resteverzehr führt. Man hat also die Wahl zwischen einer Gutestraßenaberhoherzeitaufwand-Grenze und der Mittenimnixgehtschnellaberdiestraßensindderhorror-Grenze. Man sollte beides mal ausprobiert haben.

Grenze im Nirgendwo
Touri-LKW-Grenze

Ordnung

– ist das halbe Zusammenleben. Unsere Allradwohnung ist zwar sehr praktisch, dafür ist die Wohnfläche recht überschaubar. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man alles sofort und ohne Suchaufwand wiederfindet. Es sei denn es herrscht eine gewisse Ordnung, bei der Gegenstände immer an ein und dem selben Ort aufbewahrt werden. Ist ja auch gar nicht so schwer – sollte man meinen. Und ja, ich gebe es zu, ich stehe voll auf Ordnung. Bei uns besteht ein Tag jedoch häufig aus vielen kleinen Ratespielen. Am beliebtesten ist die Ratespielvariante „Schatz-wo-ist“. Dieses Spiel ist recht simpel und bedarf keiner großen Vorbereitung. Es muss lediglich vergessen werden, wo die einzelnen zu findenden Gegenstände eigentlich ihren festen Platz haben. Für 50% der Menschen unseres Reiseduos ist das dank immer wiederkehrendem Gehirnschluckauf recht einfach zu bewerkstelligen. Die anderen 50% Reiseduo müssen dann innerhalb von ca. 1,23 Sekunden auf die von Person „Gehirnschluckauf“ gestellte Suchanfrage antworten, da sonst die Frage umgehend wiederholt wird und der Punkt anscheinend an den Fragenden geht – ganz so sicher bin ich da noch nicht, wer bei dem Spiel zu welchem Zeitpunkt der Gewinner ist. Auch eine Abwandlung des Spiels ist gebräuchlich. Dabei werden Gegenstände einfach an nicht dafür vorgesehenen Orten deponiert, bevor der Gehirnschluckauf einsetzt. Somit hat dann auch der Gefragte keine Ahnung, wo sich der gesuchte Gegenstand befindet – ein Spielspaß für die gesamte Familie. An dieser Stelle lasse ich mal offen, wer bei diesen Spielchen welche Position einnimmt. Das Zusammenleben 24/7 über ein paar Monate auf so engem Raum kann teilweise schon mal eine Herausforderung sein. Ich nehme es aber vorweg, ich würde es wieder tun. Nichtsdestotrotz gibt es interessante Verhaltensweisen, die man während der Zeit an seinem Partner feststellen kann (abgesehen vom eben erwähnten brain crash). Zum Beispiel verpasse ich generell rein gar nichts. Damit ist gemeint, dass ich über alles (unwichtige) informiert werde. Gehen ich z.B. mal eben während der Nachtlager-Aufbauphase auf die Naturtoilette, bekomme ich bei meiner Rückkehr erst mal mitgeteilt, was meine Reisebegleiterin in der Zwischenzeit getan hat. Gott sei Dank, sonst hätte ich wohl nie mitbekommen, dass sie schon die Stühle aufgestellt und die Schlafsäcke vom Auto ins Zelt getan hat!? Ich glaube jedoch, dass es dabei weniger um den Informationsgehalt geht, sondern vielmehr darum, dass Frauen pro Tag ein gewisses Wortkontingent haben, dass auf jeden Fall aufgebraucht werden muss. Wurde am Tag weniger geredet, müssen die Wörter am Abend halt noch irgendwie weg. Werde das weiter untersuchen und ggf. eine wissenschaftliche Studie dazu in Auftrag geben.

Der heilige Integral

– wir haben ihn tatsächlich gefunden. Zu Hause gibt es wirklich verdammt gutes Brot. Das wird einem erst so richtig bewusst, wenn man die fünfte Woche auf mittelmäßigem Weißbrot rumkaut, das aus Mangel an einer einfachen und schnellen Toastvorrichtung nicht getoastet ist und in Folge dessen von der Haptik an einen Putzlappen erinnert…irgendwo in der Mitte der Aggregatzustände „Fest“ und „Flüssig“ eben. Im Körper ist das Zeug schneller verbrannt, als ein Weingut in Chile (sorry, das war böse). Zwar darf sich dieses Brot hier „Vollkornbrot“ (pan integral) nennen, aber das heißt ja nichts. Ob ich ein halbes oder volles Weißmehlkorn nehme, macht ja letztendlich keinen Unterschied. Wenn ich einem Esel ne Klingel ans Ohr klemme, wird eben auch kein Fahrrad draus. Dieses Brotblem haben wir oft auf Reisen. Wir Deutschen sind halt eine Frühstücksnation und dazu gehört einfach ein ordentliches Brot! Wenn ich hier Menschen sehe, die vor einer achtstündigen Wanderung Cracker und Tütensuppe frühstücken, dann bekomme ich das Bedürfnis zu Spenden oder zu Backen. Aber wie dem auch sei, unglaubliches ist geschehen! An einem Ort, an dem man eigentlich generell nicht viel erwarten konnte, hat Julia es durch Zufall gefunden, richtig gutes Vollkornbrot – der heilige Integral. Wir haben es verehrt, angebetet und innerhalb kürzester Zeit seiner Bestimmung zugeführt. Mit den Tönen die wir beim essen dieses Heiligtums gemacht haben, hätte man leicht einen Porno synchronisieren können. Damit aber noch nicht genug. Wir hatten uns schon wieder mit drittklassigem Putzlappenbrot abgefunden, da geschah ein weiteres Wunder. Brennender Dornbusch, Wasser zu Wein und der Herr sprach: Brot! Eine Bäckerei, geführt von deutschen Auswanderern – Amen! Es gibt also eine Fortsetzung – der heilige Integral 2. Und der toppt sogar noch das erste Brotwunder. Man kann sich also auch über Dinge freuen, für die man zu Hause nur mal eben zum nächsten Supermarkt muss. Jetzt gibt es aber ein kleines Problem. Wie bekommen wir einen Vorrat deutscher Backkunst von Argentinien nach Chile? Es hilft nichts, wir werden das Gesetz brechen müssen, koste es was es wolle. Sollten wir im chilenischen Gefängnis landen, dann war es das Brot wert…

Müll

– wo er einfach nichts zu suchen hat. Es gibt ein Rätsel, das wir bislang selbst durch überdurchschnittlich langes Nachdenken nicht lösen konnten. Wer jedoch auf jeden Fall schon lange das Denken aufgegeben hat, das sind die Menschen, die dieses Rätsel überhaupt erst verursachen. Kurz gesagt: Müll an den schönsten Orten. Wenn wir zu einem abgelegenen, einsamen Ort kommen, dann ist uns schon bewusst, dass wir sicher nicht die ersten Menschen überhaupt sind, die diesen Ort betreten haben. Dieser Gedanke reicht mir eigentlich vollkommen, ich brauche nicht noch die visuelle Bestätigung. Von Hausmüll über Sperrmüll bis hin zu Ölfiltern von Baumaschinen…alles findet den Weg in die herrliche Natur von Chile und Argentinien. Natürlich sieht nicht jeder Ort so aus, den wir ansteuern, aber es ist auffällig häufig der Fall. Das Mindeste sind herumliegende Taschentücher. Das hat einen recht einfachen Grund. Es liegt in der Natur des Menschen, dass alles was oben reingestopft wird, irgendwann in abgewandelter Form unten wieder raus möchte. So far(t) so good. Dem Körper ist bei Bedürfniseintritt jedoch relativ egal, wo er sich gerade aufhält. Das kleine Geschäft lässt sich ja relativ unauffällig in der Natur unterbringen. Wenn jedoch „big business“ auf der Agenda steht, dann ist das schon etwas aufwändiger und verursacht meist Müll in Papierform (man kann auch Tannenzapfen und Gras nehmen, aber ein Mindestmaß an Luxus darf ja sein). Da man ja freundlich ist, möchte man seine Mitmenschen nach Geschäftsabschluss darauf hinweisen, dass hier etwas liegt, in das man nicht reintreten sollte. Wie macht man das am besten – richtig, natürlich mit einem Fähnchen…mal wieder (ich berichtete). Es wird also ein Taschentuch o.ä. oben auf dem Geschäftsergebnis platziert um andere Menschen zu warnen. Sehr freundlich eigentlich, aber nicht durchdacht. Der böse Wind weiß das nämlich nicht und verteilt das Papier. Ein traumhafter Anblick. Wie wir erfahren konnten, haben diese Fähnchen übrigens tatsächlich einen Namen: Chilean Flag. Nicht sehr rühmlich. Jetzt könnte man behaupten, das seien alles die fiesen internationalen Touristen schuld. In La Junta wurde jedoch z.B. eine Statistik in diesem Zusammenhang angefertigt. La Junta ist ein Tal in den Bergen Chiles, das man nur per 4h-Wanderung oder per Pferd erreichen kann. Möchte man dort hin, muss man sich mit seinem Ausweis/Pass registrieren. Dabei kam heraus, dass der meiste Müll dann im Tal zurückbleibt, wenn hauptsächlich Chilenen dort oben sind. Ich will gar nicht den großen Zeigefinger auspacken, wir verschmutzen unser eigenes Land auch genug, aber es wäre so einfach die Müllberge hier zu verhindern: nehmt euren Scheiß einfach wieder mit…und den anderen (echten) Scheiß könnt ihr gerne dort lassen, aber vergrabt das Zeug und spart euch die Chilean Flag. Zeigefinger-Modus off.

Fakten:

  • aktueller Standort: Tolhuin (Feuerland), kurz vor dem Ende der Welt…
  • bisherige Autokilometer: 5.300km
  • bisherige Wanderkilometer: 46km (ohne die in den Großstädten zurückgelegten Fuß-km)
  • bisherige Fahrradkilometer: 30km
  • wenn es regnet wird Staub zu Matsch und der macht auch dreckig
  • packt man aus versehen auf so ein südamerikanisches Stachelraupending, dann tut es tagelang weh und juckt unaufhörlich
  • je weiter südlich, desto weniger kurze Hose und T-Shirt
  • wenn sich im Regen der gesamte Scheibenwischermotor vom restlichen Fahrzeug löst, dann ist das blöd
  • das Brot hat erfolgreich die Grenze überquert
  • besser gar kein Internet als schlechtes Internet (deshalb nicht alle geplanten Fotos enthalten)

 

Lebenszeichen 3

Santiago de Chile – heading south // 26.01. – 07.01.2017

Es regnet, aber wir haben noch eine Flasche Wein – die perfekten Vorraussetzungen um zu schreiben…

Unsere Wohnung – auf 4 Rädern. So, Schluss mit Urlaub und rein ins Zelt. Am 26.01. ging es von Montevideo (Uruguay) mit dem Flieger über die Anden nach Santiago (Chile). Dort verbrachten wir erst mal zwei Nächte in einem Apartment, bevor wir in unsere geräumige „Maisonnettewohnung“ umzogen, die wir insgesamt 62 Tage bewohnen werden. Die Wohnung hat 4 Räder, Allradantrieb und ein ausklappbares Zelt auf dem Dach. Damit geht es nun in den Süden bis nach Ushuaia. Noch weiter südlich würde nur noch die Antarktis kommen. Der Vorteil einer Allradwohnung ist, dass man fast überall hinkommt um dort in Ruhe sein Nachtlager aufzuschlagen. Durchfahrt durch einen kleinen Fluss, einen steilen Hang hinunter und wieder rauf, die unzähligen alten unbefestigten „Straßen“ ohne Achsbruch überstehen – alles kein Problem. Sensationell ist auch der „Kleiderschrank“. Dieser besteht aus unseren zwei großen Reiserucksäcken, die offen auf der Rückbank liegen. Das „in den Schrank einräumen“ funktioniert recht einfach: Tür auf, Shirt reinwerfen, Tür zu. Wer es zusätzlich noch schafft, die „Schranktür“ zu öffnen, ohne das etwas herausfällt, der hat gewonnen. Gekocht wird auf zwei Gaskochern und das Schlafzimmer in der ersten Etage ist sehr schnell installiert und nicht weniger schnell wieder deinstalliert. In Chile ist es erlaubt wild zu campen – ein absoluter Traum. Wir vermissen nichts…fast nichts…ok, so eine warme Dusche zwischendurch ist nicht zu verachten, hatten wir aber schon ein paar Tage nicht mehr. Als Alternative müssen gerade Seen und Flüsse herhalten, ist auch ok. Ist das wilde Campen mal nicht möglich, dann darf es auch ein konventioneller Campingplatz sein, der in der Chile-Ferienzeit auch mal gut gefüllt sein kann. In diesem Zusammenhang hätte ich da mal eine Frage und hoffe damit keinem Hardcore-Camper zu nahe zu treten. Ist es normal einen Fernseher mitzunehmen und da die ganze Zeit vor zu hocken anstatt irgendein Campingzeug zu machen? Hier scheint es jedenfalls Standard zu sein. Aber find ich gut, so kommen die Kinder mal raus aus den vier Wänden und können woanders TV glotzen. Wie dem auch sei, immerhin fallen wir hier weiterhin auf. Nicht durch mangelnde Körperpflege, sondern mit unserer Wohnung. So ein Jeep mit Ausklappzelt auf dem Dach schein etwas ganz besonderes zu sein, weshalb wir ein beliebtes Fotomotiv sind. Darüber hinaus findet es unsere Campervermietung witzig, Sprüche auf die Vermietfahrzeuge zu kritzeln. Das hat zur Folge, dass Menschen unvermittelt neben uns stehen bleiben, auf die Tür starren und versuchen das Geschriebene mit geringen Englischkenntnisse in eine für sie verständliche Sprache zu übersetzen. Ein sagenhaftes Bild. Aber wir wollen uns nicht beklagen. Wir haben ein holländisches Pärchen getroffen, die einen kleinen Van von derselben Campervermietung haben. Deren Spruch (auf Spanisch geschrieben) lautet übersetzt: Hupe, wenn du doggy style magst. Kleine Info am Rande: Niederländische Forschungen haben ergeben, dass es eine Vielzahl der chilenischen Bevölkerung gerne von hinten mag…

Staub und Straßen – eine untrennbare Kombination in Chile. Wie gesagt, mit unserer Allradwohnung sind wir sehr flexibel und deshalb fahren wir teils recht lange Strecken über die alten chilenischen Schotter-durchschüttel-bergstraßen. Ein echtes Erlebnis inkl. Schlaglöchern, in denen man einen Smart verstecken könnte und die einen Bandscheibengeschädigten dazu bringen würden, spontan von seinem Ableben Gebrauch zu machen. Ich werde mich sicher nie wieder über die winzigen Schlaglöcher auf deutschen Straßen aufregen. Was diese Art in Südamerika zu reisen zwangsläufig noch mit sich bringt ist Staub. Staub auf und im kompletten Auto, Staub auf dem Brot, in den Augen, im Kaffeebecher und sogar an Stellen des Körpers die in meiner Vorstellung überhaupt erst dann Staub ansetzen, wenn das Thema der Reproduktion bzw. Genweitergabe abgehakt ist und man gleichzeitig jegliche Freude am eigentlichen Reproduktionsakt verloren hat. Staub einfach überall. Immerhin bekommen wir dadurch eine gewisse einheimische Hautfarbe, die Menschen doch tatsächlich dazu animiert, uns nach dem Weg zu fragen…UNS…haha. Selbstverständlich wussten wir den Weg nicht…sorry und lo siento. Als guter autoliebender Deutscher habe ich zusätzlich dauerhaft das Bedürfnis, das Auto zu waschen. Das wäre hier jedoch völlig sinnbefreit und wird deshalb natürlich unterlassen. Wenn man sich erst mal an das Gefühl dauerhaft schmutzig zu sein gewöhnt hat, dann ist eh alles egal. Und übrigens, T-Shirts, Hosen etc. die zu hause schon längst in die Waschmaschine gewandert wären, werden hier noch für absolut brauchbar befunden. Alles eine Frage der Gewöhnung…und des Deos. Woran ich mich jedoch sicher nie gewöhnen werde, ist die chilenische Schilderpolitik. Die Straßenverkehrsbehörde ist teilweise recht sparsam und stellt Wegweiser nur in einer Richtung auf. Kommt man also aus der „falschen“ Richtung, sieht man das Schild nicht und verpasst es abzubiegen. Großes Lob dafür! Das es entlang der chilenischen Straßen jedoch generell zu wenig Schilder gäbe, kann man nur wirklich nicht behaupten. Das liegt jedoch daran, dass jedes noch so kleine Honig-Käse-Wasser-Kiosk am Straßenrand auf sich aufmerksam machen möchte. Völlig legitim. Nun kann es hier jedoch vorkommen, dass gleich 15 Honig-Käse-Wasser-Kleinunternehmer ihre Geschäfte nebeneinander an einer Straße platziert haben. Und wie fällt man in so einem homogenen Unternehmensumfeld am besten auf? Man stellt natürlich noch ein zweites, drittes…oder gar achtes (kein Scherz) Schild auf, um seine Waren anzupreisen. Bringt das nicht die gewünschte Wirkung, hält man es wie in der Sparkassenwerbung – „Wir machen das mit den Fähnchen“. Resultat: bunte Fähnchen im Überfluss. Würde man die Wörter zusammenzählen, die ich hier schon am Straßenrand gelesen habe, dann käme ein ganzes Buch dabei raus. Aber der findige chilenische Kleinunternehmer hat ja noch ein As im Ärmel. Wenn jegliche Information und Sichtbarkeit im Schilderwald wirkungslos verpufft, dann gibt es nur eine Lösung. Man stellt einen echten Menschen an den Straßenrand…und was macht er innovatives? Richtig, er hält ein Schild hoch. Hut ab, ich geb’s auf. Unangefochten auf Platz 1 der häufigsten Schilderwörter ist übrigens „Cabañas“. Wer ist dieser „Cabañas“ und warum hat der so viele Geschäfte?

Waldbrände – gibts natürlich auch wieder auf unserer Reise. Als wir in Australien und Tasmanien waren hatten wir dort Jahrhundertwäldbrände, Sturm und Überschwemmung. Hier in Chile bringen wir es immerhin schon mal auf die Jahrhundertwaldbrände. Wenn es nach uns geht, reicht das auch völlig. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn die Sicht max. einen Kilometer beträgt, man von dichtem Rauch umgeben ist, nicht 100%ig weiß wo die Brandherde sind bzw. sich hinbewegen und man dann auf einen Berg in den Wald zum Übernachten fährt. Von den Einheimischen haben wir uns jedoch immer die neusten Feuer-Updates geholt, und sind kein Risiko eingegangen. Das hatte zur Folge, dass wir ein paar kleinere Weinregionen nicht ansteuern konnten, da es dort jetzt wohl nur noch Glühwein gibt. Mittlerweile haben wir die Waldbrandregion jedoch verlassen, können weiter als 1km sehen und sind begeistert von der Landschaft. Was neben der Landschaft zusätzlich noch beeindruckend ist, ist die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Chilenen. Freiwillige Helfer überall und unzählige LKWs mit Hilfslieferungen für die betroffenen Gebiete. Riesige Flächen sind bereits verbrannt und weitere unzählige Quadratkilometer brennen noch. Viele Menschen haben alles verloren oder haben alles was sie gerade noch auf die Ladefläche von ihrem Jeep werfen konnten gerettet, bevor sie die Flucht antraten. Da kann es schon mal vorkommen, dass plötzlich eine Couch auf der Autobahn steht, nachdem diese die Jeep-Ladefläche eigenmächtig und ohne Erlaubnis verlassen hat. Aber hey, auf der Flucht denke ich zu Recht wohl eher weniger an vorbildliche Ladungssicherung. Es sieht teilweise so aus, als würde halb Chile umziehen. Wir drücken die Daumen, dass sich die Lage so schnell wie möglich wieder entspannt!!!

Zucker  wird hier gaaanz groß geschrieben. Wenn man einen Kaffee bestellt und man möchte keinen Zucker dazu, dann wird man nicht nur komisch angeschaut, sondern es wird noch zwei mal nachgefragt ob man den wirklichwirklichganzechtohnewitz keinen Zucker möchte. Wir haben es mittlerweile z.B. aufgegeben, irgendeine Art von Saft zu kaufen. In der Regel ist das nämlich Zucker aufgelöst in Wasser mit einem Spritzer Fruchtaroma…bäh. Das Zeug ist selbst fürs Klo zu ekelhaft. Oder Joghurt…guter alter griechischer Joghurt…süß wie 10 Hundewelpen. Gerne wird auch die Zuckeralternative Stevia verwendet, was dem Geschmack aber nun wirklich nicht auf die Sprünge hilft. Auf der anderen Seite scheint eine gesunde Lebensweise hier durchaus auch ein Thema zu sein. In den meisten Supermärkten findet man einen Ecke mit speziell glutenfreien Produkten. Für mich als ärztlich falsch diagnostizierter Glutenintoleranter interessant zu sehen. Aber auch salzfrei, vegetarisch, vegan…alles möglich hier in Chile. Mein absoluter Favorit im Zusammenhang mit individueller Ernährung ist jedoch die Frage eines potenziellen Haschbrownie-Käufers auf der Straße von Santiago an die freundliche Haschbrownievertrieblerin, ob die Dinger denn auch vegan seien. Ich würde mir bei Hasch-Brownies von der Straße echt viele Fragen stellen, aber nicht ob die vegan sind. Aber als Ich-ess-nix-vom-Tier-Mensch hat man auch ein Recht auf veganen Drogenkonsum. Also berechtigte Frage. Die Antwort war übrigens „ja“ – na dann guten Flug…
Fakten:

  • aktueller Standort: Lago Llanquihue am Fuße des Vulcán Asorno
  • zwei feuchte Babytücher sind auch ne Dusche
  • überdurchschnittlich häufige Verwendung des Satzes „diese Klamotten hatte ich gestern schon an“
  • mein zweiter Vorname ist mittlerweile „Schatz-wo-ist“
  • bisher niedrigste Temperatur in der Nacht: 5 Grad Celsius
  • Kuchen heißt hier Kuchen
  • hatte Bienenstich, jedoch nicht als Kuchen (habe überlebt)