Lebenszeichen 5

Chile und Argentinien

Heading south…und ein Stückchen wieder north // 23.02. – 09.03.2017

Wir haben das Ende der Welt erreicht – Ushuaia, die südlichste Stadt der Erde. Ein Ort, der größer ist als ich dachte und mehr Charme hat als zu vermuten wäre. Zwischen Ushuaia und der Antarktis liegen dann nur noch ca. 1.000 Meeres-KM. Näher kommt man der Antarktis mit dem Auto nicht mehr.

Kurz darauf ging es dann wieder in die einzig mögliche Richtung, nach Norden, bis zum in Chile gelegenen Torres del Paine Nationalpark – 5 Tage Trekking in atemberaubender Natur und bei patagonischer Wetterunbedständigkeit. Momentan sind wir leider in Puerto Montt gestrandet, da unser Flugzeug gerade während des Fluges vom Blitz getroffen und beschädigt wurde. Uiii…durchaus ein seltenes und spannendes Erlebnis mit Schreckfaktor! Es soll aber heute dann doch noch mit einem Ersatzflieger nach Santiago weitergehen…irgendwann. Übermorgen geht es dann hoffentlich weiter in den Norden – Wüste wir kommen. Nach dem kalten, stürmischen und regnerischen Wetter in Patagonien und Feuerland freuen wir uns die Sonne mal wieder etwas länger zu sehen…

Torres del Paine

– oder Torres del pain? Es ist 08:00 Uhr, 10 Grad Celsius, alles ist wolkenverhangen, es regnet wie aus Eimern und wir haben kein „Drei Wetter Taft“ dabei…die Haare liegen also definitiv nicht perfekt. Fotos beweisen, dass dies aber anscheinend schon seit Beginn unserer Reise nebensächlich ist…jedenfalls was meinen Kopf betrifft. Bei dem was jedoch ab jetzt ansteht, würde eine Flasche Haarspray eh zu viel Platz wegnehmen. Nun kommt es auf jedes Gramm an. Wir starten unser 5 Tage Trekking im Torres del Paine Nationalpark. Es gibt zwei Routen, das sog „W“ (ca. 80km) oder das „O“ (zu viele km). Des weiteren kann man entweder die 20 bis 25 Kilo-auf-dem-Rücken-Variante wählen und Zelt, Nahrungsmittel und weitere Ausrüstung mitschleppen oder in den auf dem Trek liegenden Refugios schlafen und essen, was das Ausrüstungs-/Rucksackgewicht auf ca. 10kg p.P. reduziert. Interessanterweise erhöht sich dieses Gewicht mit jedem Schritt, keine Ahnung wie das geht!? Aus zeitlichen und gewichtstechnischen Gründen (das „O“ nur in der 25kg-Variante machbar), haben wir uns für das „W“ entschieden. Und es startet „traumhaft“ (s.o). Aber sobald die Atmungsaktivität der nötigen Gore-Tex Komplettverkleidung versagt und man(n) sowohl von außen (Regen) als auch von innen (Schweiß) naß ist, ist eh alles egal. Und der leichte Wind, der egal wie man sich dreht, irgendwie immer von vorne kommt und einem den Regen permanent ins Gesicht pustet – ach herrlich. Wenn man hier übrigens nach einer Wettervorhersage fragt, bekommt man folgendes zu hören: „Frag nicht nach dem Wetter, wir sind in Patagonien“. Jede Wettervorhersage ist also spätestens 10 Min. nach Erstellung in Frage zu stellen. Man muss es nehmen wie es kommt – und es kommt mittelmäßig. Der Regen bleibt, macht den heutigen Aufstieg zu den Torres (Namensgeber des Parks/übersetzt: Türme) nicht einfacher und letztendlich stehen wir vor einer Wolkenwand, die die Türme komplett verhüllt. Erstes Highlight – no check. Von unserem etwas tiefer gelegenen Camp aus können wir am Abend aber noch einen kurzen Blick erhaschen, bevor sie wenige Minuten später wieder in den Wolken verschwinden. Muss reichen. Das Wetter hier ist eben unberechenbar. Am gemeinsten ist patagonischer Wind. Dieser sorgt laut Berichten dafür, dass man während der Trekkingtage bei Notdurftverrichtung in der Natur mindestens ein mal sich selbst oder einen seiner Mit-Trekker anpinkelt. Schauen wir mal. Nach einer Nacht im Achtbettzimmer (bekanntes Gefühl) ist der zweite Tag recht gnädig, kein Wind, kein Regen, keine besonderen Vorkommnisse, Sonne und moderater Wanderweg oberhalb vom Lago Nordenskjöld zum zweiten Camp/Refugio. Bereits jetzt beginnt jedoch Torres del „Pain“. Schultern, Beine und Füße spüren die bisherigen 25,5km (klingt nicht viel, ist es aber) und bestehen auf eine Pause. Tag 3 beginnt mit vermeintlich gutem Wetter, was sich im Laufe der ersten Kilometer jedoch zu leichtem Regenwetter entwickelt. Es geht durch das Valle Frances, entlang am Gletscher Frances hinauf zum Mirador Britanico. Umgeben von Wolken ist der Ausblick am Ziel eher unterdurchschnittlich, aber der Weg hier hin war es wert erwandert zu werden. Nach dem Abstieg und bereits 13km in den Beinen, folgen weitere, aber eher moderate 8km. Gefühlt sind es jedoch deutlich mehr km und die letzte Stunde bis zu unserem Refugio ist eine reine Bein-und-Fußschmerz-Qual. Jetzt beginnt übrigens auch die Phase in der ich bei nächtlichem Harndrang überlege, ob ich den schmerzenden Körper tatsächlich zum WC bewege oder ob der Schlafsack saugfähig genug wäre um einfach liegen zu bleiben. Ist er nicht – glaube ich jedenfalls ohne es getestet zu haben. Tag 4 zeigt sich am Morgen von seiner besten Sonnenseite. Kein Regen oder Wind zu haben gilt in Patagonien übrigens schon als perfekter Tag. Wenn dann noch Sonne hinzukommt, kann man sich wirklich glücklich schätzen. Während der Wanderung bis zu Gletscher Grey versteckt sie sich zwar wieder, was der guten Laune trotz schwerer Beine jedoch keinen Abbruch tut. Um den Körper etwas zu schonen bleiben wir die Nacht im Refugio Grey am Gletscher, anstatt den Rückweg noch am gleichen Tag anzutreten. Da man im Tal ein Boot für den Rückweg zu einer bestimmten Zeit erwischen muss, könnte der Rückweg dann außerdem noch zeitlich etwas knapp werden. Finaltag 5 beginnt mit Regen (was sich auch nicht mehr ändert) zur Wanderstartzeit um 07:30 Uhr. Das Boot geht um 11:30 Uhr, wir sollten uns also etwas beeilen. Es gibt übrigens drei Arten von Wanderern. Slowmotion-Hiker, Normalgeschwindigkeitsgeher und die Sprinter die keine Zeit haben und deshalb generell nicht wandern, sondern rennen (haben so jemanden kennen gelernt…Inder…hatte nur drei Tage Zeit für das „W“ und war deshalb recht zügig unterwegs). Je nach Verfassung und Untergrundbeschaffenheit bewegen wir uns in den ersten beiden Gruppen. Um unser Boot aber auf keinen Fall zu verpassen, wechseln wir für heute mal in die Sprintergruppe und erlaufen Weltrekordzeit. Verrückt, trotz der Anstrengungen der letzten Tage gibt es noch genügend Reserven für so etwas. Und das kurioseste ist, dass es mit jedem Schritt sogar immer besser wir…wow, ich fühle mich nicht wie 33, sondern locker wie…wie 32. Das Ergebnis: Entspannte slow motion 4:30h auf dem Hinweg und 2:25h auf dem Rückweg. Gesamtstatistik Torres del Paine „W“:

  • 5 Tage
  • 71,1 Kilometer
  • 27:40 Laufzeit (ohne Pausen, Fotos, etc.)
  • 33:30 Schuhzeit (mit Pausen, Fotos, etc.)
  • Lust auf mehr Trekking

Verkehr

– ein Thema, dass mich immer wieder beschäftigt. In Thailand konnte ich mir die Fahrweise der Einheimischen mit dem Glauben an Wiedergeburt erklären. Woran die Kamikazefahrer hier jedoch glauben, ist mir bislang ein Rätsel – Wiedergeburt kann es in einem christlich geprägten Land wie Chile und Argentinien jedenfalls nicht sein. In Argentinien sieht man vereinzelt am Straßenrand gelbe Schilder in Sternform. Teilweise mit einem Namen in der Mitte und beigelegten Blumen. Gab es einen tödlichen Unfall, dann werden am Ort des Geschehens solche Schilder aufgestellt. Ursprüngliches Ziel war wohl die Abschreckung. Ich nehme jedoch stark an, dass hier ein sehr ungünstiges Missverständnis vorliegt. Nicht die Wiedergeburt ist Vater dieser geistig verwirrten Fahrweise, sondern die Annahme, dass man auf diese Weise vielleicht Sterne sammeln kann – so wie früher in der Schule Sternchen für besondere Leistungen vergeben wurden. Das in diesem Fall hier in der Regel nach dem ersten Sternchen jedoch Schluss mit der Sammelei ist, scheint cerebral bei einigen offensichtlich noch nicht angekommen zu sein. Das Resultat sind Überholmanöver kurz vor oder gar in einer nicht einsehbaren Kurve oder vor Straßenkuppen wo man nicht sehen kann, was dahinter so los ist. Da zudem auch noch die Geschwindigkeitbegrenzungen hier lediglich eine grobe Empfehlung zu sein scheinen, kommt aus einer nicht einsehbaren Kurve schneller mal der Gegenverkehr als man „Empanada“ sagen kann. Das Ergebnis ähnelt dann meistens dem, was in einer Empanada steckt. Selbst wenn man also der sich an die StVO haltende Gegenverkehr ist, könnte man dann ungewollt Sternchenpech haben. Bislang gab es bei uns keine derart knappen Begegnungen, ich spreche zum Glück nur aus Beobachtungserfahrung. Eine weitere mehr verwirrende als unmittelbar gefährliche Straßenverkehrsgewohnheit ist die inflationäre Verwendung des Warnblinklichts. In jeder noch so überflüssigen Situation greifen sowohl Argentinier, als auch Chilenen auf dieses KFZ-Hilfsmittel zurück und als außenstehender Straßenverkehrsmitteilnehmer ist man plötzlich alarmiert, weiß aber gar nicht warum. Wenn in Deutschland auf der Autobahn vor einem der Warnblinker angeht, dann hat das in 95% der Fälle berechtigte Gründe. Hier nicht…und wie gesagt, man findet auch meist nie heraus, was der Grund für die Verwendung dieser Warnvorrichtung ist. Aber was soll man auch in Ländern erwarten, in denen Polizei und Feuerwehr einfach grundsätzlich (ohne Notfalleinsatz) mit Blau- bzw. Rot- oder Grünlicht durch die Gegend fahren – Vorbildfunktionsfail. Wenn man hier auf extrem abgelegenen Rümpel-Straßen unterwegs ist, dann vergewissert man sich bei jedem stehenden Auto, ob alles ok ist oder ob man helfen kann. Das macht man einfach so und ist hier normal. Fährt man also eine dieser Extrem-Straßen und sieht plötzlich, dass das hinter einem fahrende Fahrzeug (was selten genug vorkommt) den Warnblinker betätigt, zurückfällt und nach kurzer Zeit nicht mehr zu sehen ist, dann sollte man freundlich genug sein umzukehren um ggf. Hilfe anzubieten. Haben wir getan…und war mehr als überflüssig, da mir einfach nicht klar ist, wie wir einem am Fahrbahnrand hockenden Typen beim großen Geschäft helfen sollten. Aber hey, irgendwie war es ja schon ein Not(durfts)fall. Hätte er den Warnblinker weggelassen (hinter ihm kein Fahrzeug auf 100km), dann hätten wir ihn nicht bei dem besucht, wofür man gerne mal Ruhe hat – selber Schuld.

Unsere Wohnung

– müsste mal renoviert werden. Bei jeder Wohnung oder bei jedem Haus kommt die Zeit, in der kleinere Renovierungsarbeiten ratsam wären. Bei unserer Allradwohnung ist das auch der Fall bzw. waren kleinerer Reparaturen immer mal wieder nötig. Mein Highlight in diesem Zusammenhang: der Scheibenwischermotor hat sich komplett von der Fahrzeugkarosserie gelöst und baumelte nur noch traurig an seinen Kabeln vorne im Motorraum herum. Das passierte selbstverständlich mitten im Nirgendwo bei starkem Regen – sonst wäre es ja langweilig. Ein Hoch auf chinesische Kfz-Kunst (Fahrzeug: Great Wall / Wingle 5). Eine kleine Notreparatur, ein 12EUR Pitstop in einer…nennen wir es Werkstatt und das Problem war gelöst. Ansonsten gabs noch so Kleinigkeiten…eine festgefahrene Bremse am linken Hinterrad, gerissenes Kabel vom dritten Bremslicht, abgefallener Verschlussbolzen der Heckklappe (ist die Haustür nicht richtig geschlossen, verliert man während der Fahrt übrigens Wasserkanister und ggf. andere Dinge…getestet und für unwitzig befunden), sich lösender Dachträger, abgebrochene Radioantenne, abgerissene Befestigungen vom Zelt-Regencover…so Standardsachen eben. Aber hey, nichts was sich nicht irgendwie flicken lässt (außer bei der Bremse, das regelte sich durch sture Weiterfahrt irgendwann positiv von selbst). In diesem Zusammenhang muss ich etwas sagen: ich liebe Klebeband und werde nie wieder ohne verreisen. Außerdem gibt es noch etwas, was auf zukünftigen Reisen definitiv immer wieder mit dabei sein wird: der Leatherman. Nein, das ist kein bei Beate Uhse bestellbares Sextoy, sondern ein geniales Multitool für alle Eventualitäten. Nicht auszudenken was gewesen wäre, wenn MacGyver so etwas anstatt seines Taschenmessers gehabt hätte. Vermutlich hätte er die Weltherrschaft an sich gerissen?! Was wir noch rausgefunden haben ist, dass Staub durch Regen zu Matsch wird – verrückt, aber wahr. Die Fassade unseres Allradhauses hat dementsprechend gelitten und eine wunderschöne Roadtrip-Patina bekommen. Kommt man dem Auto beim täglichen Camplife von außen zu nahe, entspricht die Jacken-/Hosenfarbe der neuen Fahrzeugfarbe. Irgendwann gibt man auf dies von den Klamotten zu entfernen und es ergibt sich eine äußerliche Mensch-Fahrzeugeinheit. Es brauchte 8 Hände und 1,5 Stunden um die gesamte Wohnung von innen und außen wieder in einen bewohnbaren (bzw. rückgabefähigen) Zustand zu versetzen. Der Auszug aus dieser Allradwohnung ist bereits kürzlich erfolgt und unsere neue Behausung (gleicher Typ) sollte schon in Santiago bereitstehen um uns in den Norden bis in die Atacama Wüste zu bringen. Mal sehen was der Leatherman auf dieser Route wieder alles richten muss…

Fakten:

  • wird dein Flugzeug kurz vor der Landung von einem Blitz getroffen, dann biste wach!!!
  • aktueller Standort: Puerto Montt, mit Aussicht nachher noch nach Santiago de Chile zu kommen.
  • bisherige Autokilometer: 7.090km
  • bisherige Wanderkilometer: 117,1km (ohne die in den Großstädten zurückgelegten Fuß-km)
  • bisherige Fahrradkilometer: 30km
  • gewaschene Klamotten fühlen sich an wie Weihnachten





Ein Gedanke zu „Lebenszeichen 5“

  1. Ich habe gedacht, dass ihr um Jahre gealtert seid. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Toll eure Erlebnisse. Reizt sogar
    der alte Erwin aus der Schweiz.
    Weiter wünsche ich euch alles Gute und Gott segne euch.
    Lieber Gruss
    Erwin

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